Einschulung EDI
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1. Zielsetzung
Die Zahl der Schulanfänger und
Unterstufenschüler mit Lernproblemen in einem oder mehreren Fächern
ist trotz der heute gebotenen umfangreichen und differenzierten
vorschulischen Fördermöglichkeiten noch relativ hoch. Dabei handelt
es sich nicht nur um Kinder, die bereits vor der Einschulung in
irgendeiner Form Lern- oder Verhaltensprobleme erkennen ließen,
sondern häufig auch um solche, die bei Schuleintritt oder während
der ersten Schulzeit unauffällig waren.
Um diesen Schülern rechtzeitig entsprechende schulische Förderung
zukommen zu lassen, bedarf es einer differenzierten Diagnose des
individuellen Entwicklungsstandes für das schulische Lernen.
Dies ist das Ziel des EDI-Tests. Er erfasst die Lernausgangslage
des Schülers unter förderdiagnostischen Prämissen.
2. Theoretische und empirische Grundlagen des
Tests
Dem EDI liegt die empirisch bestätigt
gefundene Annahme zugrunde, dass das Lern- und Leistungsvermögen
eines Kindes nicht nur vom erfolgreichen Durchlaufen bestimmter
Entwicklungsstufen und von altersgemäß entwickelten Teilleistungen
abhängt. Berücksichtigt werden muss insbesondere auch die
Homogenität des kindlichen Entwicklungsstandes bezüglich integrativ
wirkender kognitiver Fähigkeiten aus den Bereichen Wahrnehmung,
Gedächtnis, Sprache und Denken.
Durch Lernprozesse werden im Gehirn neuronale Netzwerke
herausgebildet, die nicht statischer Natur sind, sondern durch neue
Lernprozesse immer wieder modifiziert und umgebildet werden können.
Das normal entwickelte Kind hat bei Schuleintritt viele solcher
Lernprozesse durchlaufen. Jeweils früher entwickelte Fähigkeiten
haben sich zu neuen, umfassenderen Leistungsgefügen erweitert und
bilden eine hinreichende Grundlage für das nunmehr einsetzende
schulische Lernen.
3. Aufgabenauswahl - Testerprobung - Normen -
Gütekriterien
Auf der vorgenannten Grundlage wurden
altersgemäße Testaufgaben entwickelt. Sie wurden schwerpunktmäßig
den Bereichen "Wahrnehmung" und "Denken" zugeordnet.
Jeder Bereich umfasst 12 Items, welche schulleistungsrelevante
Teilleistungen in ihrer jeweils aufgabenspezifischen Vernetztheit
erfassen.
Der Bereich "Wahrnehmung" ist untergliedert in
- Erfassen und Durchgliedern optischer Ganzheiten
- auditive Wahrnehmung /Wahrnehmungsverarbeitung/ unmittelbar
auditives Gedächtnis und
- optisches Wiedererkennen/ optische Orientierung /
Visuomotorik
Der Bereich "Denken" ist untergliedert in
- rezeptive sprachliche Fähigkeiten (Sprachverständnis,
Sprachdenken)
- mathematische Fähigkeiten (Voraussetzungen für den operativen
Umgang mit Zahlen) und
- grundlegendes Denken
Der EDI durchlief eine mehrjährige Entwicklungs- und
Erprobungsphase. Durch Vortests wurden Aufgaben zusammengestellt,
die sich als relevant für schulisches Lernen zeigten. Dem folgte
eine erste Erprobungsphase an insgesamt ca. 300 Schülern.
Diese entstammten zu ca. zwei Drittel den Eingangsklassen der
Grundschule und den Sonderpädagogischen Diagnose- und
Förderklassen. Es wurden aber auch Kinder kurz vor der Einschulung
sowie Schüler der Klassen 2 und 3 mit und ohne Lernprobleme
aufgenommen. Zudem wurden einige Gruppentests durchgeführt.
Die Testendform wurde inzwischen in verschiedenen Regionen an ca.
500 Schülern der Klassen 1-3 in Einzeltests und an ca. 250
Schülern in Gruppentests erprobt. Die vorgenommene Normierung des
Tests erfolgte getrennt nach den Schuljahrgängen 1 bis 3.
Dem förderdiagnostischen Ansatz des EDI stehen Forderungen der
klassischen Testtheorie nach hoher Reliabilität des Tests entgegen,
da der förderdiagnostisch arbeitende Pädagoge /Therapeut die
Veränderung der Lernausgangslage des Schülers zum Ziel hat und
nicht die statische Festschreibung bestimmter
Lernvoraussetzungen.
Es wurde deshalb nicht vorrangig die Reliabilität / Stabilität des
Kriteriums "Lernausgangslage" geprüft, sondern dessen
Veränderbarkeit (innerhalb von sechs bis zwölf Monaten) durch
gezielte, aus den EDI-Ergebnissen abgeleitete schulische
Förderansätze.
Die Testergebnisse wurden einer inhalts- und kriteriumsbezogenen
Gültigkeitsprüfung unterzogen ( Expertenrating, Vergleich mit
anderen Tests, vorrangig mit einzelnen Altersreihen aus dem KIT,
sowie Vergleich mit aktuellen Leistungsfeststellungen der
Lehrer).
Der EDI verfügt über Durchführungs-, Auswertungs- und
Interpretationsobjektivität sowie über Objektivität der
"diagnostischen Konsequenzen" (R. Dieterich, 1973).
4. Inhaltliche, förderdiagnostisch relevante Aussagen des
EDI- Tests
Der psychometrisch ermittelte
Gesamtpunktwert ermöglicht die Einschätzung des kindlichen
Entwicklungsstandes für das schulische Lernen im 1. Schuljahr nach
5 Kategorien von "sehr weit unterdurchschnittlich bis "hoch". Für
das 2. und das 3. Schulbesuchsjahr reichen die Kategorien bis
"überdurchschnittlich" bzw. "durchschnittlich".
Zusätzlich ist die differenzierte quantitative und qualitative
Interpretation des individuellen Entwicklungsstandes anhand des
Homogenitätsprofils und der Ergebnisdifferenz in den Bereichen
"Wahrnehmung" und "Denken" möglich.
Es werden die individuellen Stärken und Schwächen des Schülers
ersichtlich, und damit Ansatzpunkte für spezifische Förderung.
Festgestellte individuelle Stärken, wie z. B.
altersentsprechende rezeptive sprachliche Fähigkeiten oder
ein gutes visuell-räumliches Vorstellungsvermögen können zur
Minderung von Entwicklungsrückständen in anderen Bereichen
gezielt und vernetzt eingesetzt werden. Bestimmte
Ergebniskonstellationen können Hinweise auf ADS
(Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) oder psychisch bedingte
Lernprobleme sein. Zu erwartende Lese-/ Rechtschreibprobleme,
Schwierigkeiten beim Erlernen des Zahlenrechnens, der
Entwicklungsstand des rezeptiven Sprach- und Denvermögens sowie
Gedächtnisfunktionen zeichnen sich in den individuellen Ergebnissen
ab.
Beispiele
1: Die Schülerin besucht im
dritten Schulbesuchsjahr eine sonderpädagogische Diagnose- und
Förderklasse. Nach dem vorliegenden Ergebnis im Intelligenztest
wäre von einer eindeutigen Lernbehinderung auszugehen. Die
Klassenlehrerin konnte dem nicht uneingeschränkt zustimmen. Sie
habe gerade im letzten DFK- Jahr bei der Schülerin
Lernfortschritte festgestellt, die ihres Erachtens nicht allein mit
mechanischen Übungserfolgen zu erklären seien. Eine Überprüfung mit
dem EDI ergab folgendes Ergebnis:
Abb. 1: Jahrgangsmittelwert;
Wie das Homogenitätsprofil (Abb. 1) zeigt, ist das Denkvermögen
(Untertest IV ,V und VI) der Schülerin besser entwickelt als
ihre Wahrnehmungsleistungen (UT I,II,III). Das
Entwicklungsstandniveau liegt an der unteren
Durchschnittsgrenze.
Bei dieser Schülerin sollten die intraindividuell besseren
Denkleistungen im Unterricht und in Förderprogrammen dazu
eingesetzt werden, um die schwächeren Wahrnehmungsleistungen bei
schulischen Lernprozessen zu kompensieren. (z.B. Anbahnen einer
sprachgeleiteten Verarbeitung von Wahrnehmungen und von Strategien
zur Wahrnehmungsgliederung und -verarbeitung). Besonderer weiterer
Beobachtung bedarf ein nicht erwartetes Untertestergebnis. Die
linkshändige Schülerin konnte bei der Überprüfung der Händigkeit
mit der rechten Hand wesentlich schneller (wenn auch nicht ganz so
genau) wie mit der linken Hand arbeiten. Es stellt sich hier die
Frage, ob die festgestellten individuellen Schwächen im Bereich
"Wahrnehmung" ihre Ursache (auch) darin haben können, dass die
Schülerin eigentlich Rechtshänderin ist.
2. Ein Homogenitätsprofil bei Schülern des 1. Schulbesuchsjahres
mit noch durchschnittlichem oder leicht unterdurchschnittlichem
Entwicklungsstandniveau lässt z.B. folgende Interpretationen
zu:
Abb. 2: (linkes Profil) Abb. 3 (rechtes Profil) (Durchgängige Linie
bedeutet Jahrgangsmittelwert (JMw)
Abb. 2: Das Kind ist noch nicht voll schulfähig.
Solche Kinder weisen meist keine ausgeprägten
Einzeltestschwankungen auf und versagen fast durchgängig bei
schwierigeren Aufgaben. Als weiteres Kriterium kommt noch hinzu,
dass diese Kinder bei der Einschulung noch recht jung sind. Bei
diesem Kind wäre eine Zurückstellung vom Schulbesuch zu empfehlen,
um schulisches Leistungsversagen, bedingt durch ständige
Überforderung, zu verhindern.
Abb. 3: Dieses Kind hat einen
Entwicklungsrückstand, der auf eine schwächere Allgemeinbegabung
hinweisen kann. Im Schwerpunktbereich Denken (UT IV,V, und VI)
liegen die intraindividuellen Leistungen unter denen im Bereich
Wahrnehmung (UT I,II und III). Außerdem ist bei vier der sechs
Untertests eine Abweichung vom psychometrischen Jahrgangsmittelwert
festzustellen. Solche Schüler hatten im Regelfall bei der
Einschulung schon das 7. Lebensjahr vollendet und waren oft für ein
Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt. Hier sollte die Förderung auf
den intraindividuell besser entwickelten visuellen
Wahrnehmungsleistungen aufbauen und auf entsprechend starke
Veranschaulichungs- und Übungshilfen geachtet werden.
Durch Versprachlichung der visuellen Wahrnehmungs- und
Handlungsabläufe kann die Sprachkompetenz und das sprachgebundene
Denken ebenso gefördert werden wie die Einsicht in altersgemäße
logische Zusammenhänge.
5. Zur Testanwendung und Testdurchführung
Der EDI ist zur Feststellung der Lernausgangslage /des
Entwicklungsstandniveaus bei Schülern der ersten Klasse ab der 7.
Schulwoche einsetzbar. Bei Schülern mit Lernproblemen kann er bis
einschließlich des dritten Schulbesuchsjahres durchgeführt werden.
Der EDI kann als Einzel- oder Gruppentest Anwendung finden. Er ist
ein ökonomisches Verfahren. Die Testdauer beträgt ca. 50 - 60
Minuten.
Durchgängig war zu beobachten, dass alle - auch ältere Schüler -
den EDI motiviert bearbeiteten. Der Testcharakter kam nicht
vorrangig zum Tragen. Dies wirkte sich bei ängstlichen Schülern
positiv aus.
Dr.Helga Mlynek, Brigitte Forster